Alle reden über KI im Recruiting – hier eine Idee, die wir selbst gerne verwirklichen würden
Seien wir ehrlich: Überall begegnen uns Artikel über die KI-Revolution im Recruiting, doch die meisten Unternehmen arbeiten immer noch mit Boolean-Searches, als wäre es 1999. Dabei existiert bereits eine Technologie, die wirklich game-changing wäre und unser Verständnis von intelligentem Candidate Matching grundlegend verändern könnte: Vektordatenbanken.
Die Idee: Verstehen statt Suchen
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie suchen einen "Embedded Software Engineer für Luftfahrt", und Ihr System findet automatisch auch den "Avionics Developer" und den "Flight Control Systems Specialist" – obwohl diese Begriffe in Ihrer ursprünglichen Suche gar nicht vorkamen. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern genau das, was Vektordatenbanken heute schon leisten könnten. Der entscheidende Unterschied liegt im Verständnis semantischer Zusammenhänge statt der bloßen Suche nach Schlagwörtern.
Wie würde das funktionieren?
Der erste Schritt in diese neue Welt des Recruitings wäre die Transformation jedes Kandidatenprofils in einen mathematischen Vektor. Statt nur Text zu speichern, würden wir multidimensionale Datenpunkte erfassen, in denen Skills, Erfahrungen und Projekte als numerische Werte repräsentiert werden. Ähnliche Profile lägen dann mathematisch nah beieinander, wodurch das System Zusammenhänge erkennt, die für Menschen oft nicht offensichtlich sind.
Das semantische Matching würde dann revolutioniere Möglichkeiten eröffnen. Bei einer Suche nach einem "Cloud Architect" würde das System automatisch auch AWS Solutions Architects, DevOps Leads mit Terraform-Erfahrung, Platform Engineers und Infrastructure Specialists identifizieren – alles Profile, die inhaltlich relevant sind, aber unterschiedliche Jobtitel tragen.
Besonders spannend wird es beim Erkennen von Skill-Transfers. Das System würde verstehen, dass jemand mit AUTOSAR-Kenntnissen wahrscheinlich schneller DO-178C erlernen kann, oder dass Spring Boot-Expertise eine gute Grundlage für Django darstellt. Aerospace-Erfahrung würde automatisch als relevant für Defense-Projekte erkannt werden. Diese Art von intelligentem Matching geht weit über herkömmliche Keyword-Suchen hinaus.
Unsere Vision für die Umsetzung
Bei der technischen Umsetzung würden wir auf bewährte Technologien setzen. Als Vektordatenbank kämen Pinecone oder Weaviate in Frage, beide haben sich in ähnlichen Anwendungsfällen bewährt. Für die Generierung der Embeddings würden wir entweder auf OpenAI zurückgreifen oder Open-Source-Modelle wie Sentence-Transformers nutzen, je nach Datenschutzanforderungen. Das Frontend wäre bewusst schlank gehalten – eine einfache API, die sich nahtlos in bestehende Applicant Tracking Systems integrieren lässt.
Die Vorteile eines solchen Systems wären beeindruckend. Matching-Prozesse, die heute Stunden dauern, wären in Sekunden erledigt. Versteckte Talente im eigenen Kandidatenpool, die bei herkömmlichen Suchen durchs Raster fallen, würden plötzlich sichtbar. Und das frustrierende "Wir finden niemanden" bei schwierigen Profilen gehörte der Vergangenheit an.
Ein konkretes Beispiel
Lassen Sie uns den Unterschied anhand eines praktischen Beispiels verdeutlichen. Bei einer traditionellen Suche nach einem "Senior Java Developer" erhalten Sie vielleicht fünf Treffer – nämlich genau die Profile, die diese exakte Bezeichnung enthalten. Eine vektor-basierte Suche würde hingegen 50 oder mehr relevante Profile liefern, darunter Kotlin Developers aus der JVM-Familie, Backend Engineers mit Spring-Erfahrung, ehemalige Java-Entwickler, die mittlerweile Team Lead sind, und Full-Stack Developer mit Java-Schwerpunkt. All diese Kandidaten könnten perfekt für die Position geeignet sein, würden aber bei einer Keyword-Suche niemals gefunden werden.
Die Herausforderungen (sind lösbar)
Natürlich gibt es bei jeder Innovation auch Hürden zu überwinden. Die Datenqualität ist eine davon – Lebensläufe müssten strukturiert erfasst werden. Doch mit modernen Parsing-Tools ist das heute kein unlösbares Problem mehr. Die DSGVO-Konformität lässt sich ebenfalls gewährleisten, da Vektoren anonymisierbar sind und personenbezogene Daten getrennt gespeichert werden können. Und die Kosten? Cloud-Vektordatenbanken starten bei etwa 100 Euro pro Monat – der ROI wäre bereits nach der ersten erfolgreichen Stellenbesetzung erreicht.
Warum machen wir es noch nicht?
Diese Frage stellen wir uns selbst auch regelmäßig. Wahrscheinlich liegt es daran, dass der aktuelle Prozess "ja auch funktioniert" – zumindest oberflächlich betrachtet. Außerdem müssen viele Unternehmen erst einmal die Grundlagen ihrer Digitalisierung schaffen, bevor sie an solche fortgeschrittenen Technologien denken. Und natürlich herrscht eine gewisse Unsicherheit, ob Kunden solche Innovationen überhaupt wollen oder brauchen.
Doch je länger wir darüber nachdenken, desto klarer wird uns: 2025 sollte das Jahr sein, in dem wir es einfach mal ausprobieren. Die Technologie ist da, die Vorteile sind offensichtlich, und die Nachfrage nach effizienteren Recruiting-Prozessen wächst ständig.
Was meinen Sie?
Würde ein solches System Ihr Recruiting verbessern? Welche Features wären für Sie besonders wichtig? Vielleicht sollten wir tatsächlich einen Piloten mit einigen interessierten Unternehmen starten. Gemeinsam könnten wir aus dem allgegenwärtigen "alle reden über KI" ein konkretes "wir nutzen KI sinnvoll" machen. Bei Interesse melden Sie sich gerne – der Austausch mit anderen Unternehmen, die ähnliche Überlegungen anstellen, ist immer bereichernd.
Kontakt für Interessierte:
Deniz L. Tulay
TEKOM Industrielle Systemtechnik GmbH
d.l.tulay@tekom-gmbh.de
Falls jemand bereits Erfahrung mit Vektordatenbanken im HR-Bereich gesammelt hat, würden wir uns über einen Austausch sehr freuen. Best Practices und Lessons Learned sind immer willkommen – schließlich lernen wir alle am besten voneinander.
Ein Gedankenexperiment aus der TEKOM Recruiting-Werkstatt